Mit einer eigenen "Doctoral School of Theology and Resarch on Religion" (VDTR) will die Universität Wien die akademische Ausbildung in diesen Fächern weiter profilieren. Ziel ist eine bessere Förderung und Vernetzung des akademischen Nachwuchses. Die VDTR ist eine von 15 "Doctoral Schools" an der Universität Wien. Beteiligt sind die Katholisch-Theologische Fakultät, die Evangelisch-Theologische Fakultät sowie das Forschungszentrum "Religion and Transformation in Contemporary Society" (RaT). Die Leitung wechselt alle zwei Jahre unter den Vertretern der beteiligten Einrichtungen. Zum Start wird die VDTR vom Wiener katholischen Neutestamentler Prof. Markus Tiwald geleitet. Ko-Direktoren sind Prof. Christian Danz (Evangelisch-Theologische Fakultät) und Prof. Gerhard Langer (RaT).
Die VDTR sei bewusst interdisziplinär und international ausgerichtet und trete mit der Absicht an, unterschiedlichste religiöse Gemeinschaften und Traditionen zu verbinden, so Markus Tiwald in seiner Begrüßung. Schließlich stelle die Suche nach Sinn und Orientierung trotz abschmelzender konfessioneller Milieus weiterhin ein breites und interessantes Forschungsfeld dar. In dieser Breite, die theologische Fächer ebenso umfasst wie religionswissenschaftliche Fächer und Bereiche, sei die VDTR "weltweit einzigartig", so Tiwald. Bis Ende 2022 sollen rund 160 Doktoranden in das Programm der VDTR aufgenommen werden.
Jean-Robert Tyran, Vizerektor für Forschung und Internationales, würdigte die VDTR als einen "Leuchtturm" unter den Wiener "Doctoral Schools". Der Weg zur Etablierung der VDTR sei im Blick auf ihre unterschiedlichen Partnerorganisationen zwar ein langer und mühsamer gewesen, es sei aber nun gelungen, eine einzigartige Institution zu schaffen, budgetär und personell gut ausgestattet, die höchsten Wissenschaftsstandards gerecht wird und zugleich das enge persönliche Betreuungsverhältnis zwischen Doktorvater/-mutter und Doktorand weiter gewährleistet.
Warnung vor einseitiger MINT-Fächer-Förderung
Über Verbindendes und Unterschiede zwischen dem amerikanischen Verständnis von religiöser Bildung und "religious studies" und dem österreichischen Modell referierte im Anschluss die amerikanische Judaistin und Archäologin der Universität von North Carolina, Prof. Jodi Magness. Magness würdigte die VDTR als ein zukunftsträchtiges Modell, um jenen Trends entgegenzuwirken, die an amerikanischen Universitäten inzwischen um sich greifen und auch vor Europa nicht Halt machen: es sei dies die einseitige Förderung der STEM- bzw. MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Wer indes auf dem Grundwert der Religionsfreiheit beharre - wie dies in den USA wie auch in Europa der Fall sei -, der müsse religiöse Bildung breit fördern, so Magness.
Einen wesentlichen Unterschied zwischen den Zugängen in den USA und Österreich erkannte die Wissenschaftlerin darin, dass in Österreich religiöse Bildung konfessionellen Zuschnitts im Regelschulwesen verankert sei und auch im universitären Bereich noch starke konfessionelle Prägungen der Fächerzuschnitte gegeben seien. In den USA hingegen hätten die breiter angelegten und im Konzert der Humanwissenschaften verorteten "religious studies" seit "09/11" massiv an Bedeutung gewonnen. Zuletzt jedoch seien diese sowohl durch die Förderung der MINT-Fächer sowie durch die Corona-Krise in eine Krise geraten, deren Ende noch nicht abzusehen ist, so Magness.
Den Abschluss der "Kick off"-Veranstaltung bildete eine Podiumsdiskussion u.a. mit den beiden Vizedirektoren, Prof. Danz und Prof. Langer, sowie zwei Studierenden zum Thema "Looking for a Beacon in the Contemporary Search for Meaning? Das Doktoratsstudium in Theologie und Religionsforschung an der Universität Wien". (Infos: https://vdtr.univie.ac.at)
Henning Klingen, katholisch.at