Stellungnahme der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien angesichts der Angriffe der Russischen Föderation auf die Ukraine

25. Februar 2022

Angesichts der kriegerischen Eskalation nur wenige hundert Kilometer östlich von Wien möchte die Leitung der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien ihre tiefe Verbundenheit mit den Betroffenen ausdrücken.

Wir tun dies vor dem Hintergrund von zahlreichen historischen wie aktuellen Verbindungen zur Ukraine, insbesondere zum vormals zur Donaumonarchie gehörigen westlichen Teil mit seinem Zentrum Lemberg/Lviv. Gleichzeitig wissen wir uns aber auch den vielen friedliebenden Russ:innen verbunden, zu denen ebenfalls langjährige wissenschaftliche und freundschaftliche Beziehungen bestehen.

Entgegen dem vom russischen Regime propagierten Narrativ von der Zugehörigkeit der Ukraine zu Russland verweist die Fakultät auf die vielfältigen eigenständigen Traditionen dieses Landes. Die Kirchen der Ukraine standen und stehen in zahlreichen europäischen Bezügen. Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert bildete die griechisch-katholische Kirche im österreichischen Galizien und seiner Hauptstadt Lemberg/Lviv den intellektuellen wie personellen Nährboden für die Ausprägung einer selbstbewussten ukrainischen nationalen Identität. Die Wiener Zentralbehörden bemühten sich um die Förderung des Geisteslebens in Galizien und der Bukowina. 1773 wurde in Wien ein kurzlebiges Priester­seminar für den griechisch-katholischen Klerus eingerichtet (Barbareum), aus dem 1784 eine Kirchengemeinde erwuchs, die in besonderer Weise mit den Ukrainern verbunden ist. 1867 wurde an der Universität Wien eine Professur für „orientalisches Kirchenrecht“ eingerichtet. An der Universität im heute ukrainischen Czernowitz/Černivci wurde mit der orthodoxen theologischen Fakultät 1875 eine damals einzigartige akademische Einrichtung mit großer Strahlkraft errichtet. Das kaiserliche Priesterkolleg St. Augustin (Frintaneum) in Wien vermittelte zwischen 1816 und 1918 rund achtzig ukrainisch-stämmige Kleriker aus Galizien für ein Doktoratsstudium an die Wiener katholisch-theologische Fakultät – eine Tradition, die über 1918 hinaus durch ein Thomas-Kolleg bis heute fortgesetzt wird.

Vor diesem historischen Hintergrund richtete die Fakultät in den 1960er Jahren ostkirchliche Studien ein, die 1975/76 zu einem eigenen Lehrstuhl aufgewertet wurden. Seit der Wiederbegründung einer Ukrainischen Katholischen Universi­tät in Lemberg/Lviv 1994, die vom stalinistischen Regime 1944 unterdrückt worden war, unterhält die Wiener Katholisch-Theologische Fakultät dorthin rege und fruchtbare Kontakte bis hin zu gemeinsamen wissenschaftlichen Projekten. Eine für das Sommersemester 2022 geplante Exkursion in die Region Ostgalizien (Westukraine) musste aufgrund der jüngsten Entwicklung abgesagt werden.

Vor diesem Hintergrund verurteilt die Katholisch-Theologische Fakultät die aktuelle militärische Aggression Russlands auf das Schärfste, ebenso die dabei geäußerten grob irreführenden historischen Rechtfertigungen. Unsere Solidarität gilt dem gesamten ukrai­nischen Volk, das wieder einmal Leidtragender politischer Ambitionen übermäch­tiger Nachbarn zu werden droht, im Besonderen auch den zahlreichen Kolleginnen und Kollegen in den dortigen Hochschulen, denen sie fachlich und menschlich eng verbunden ist.

Die Katholisch-Theologische Fakultät denkt in diesen Tagen besonders an ihre ehemaligen und derzeitigen Studierenden und Wissenschaftler:innen, die ukrainische Staatsbürger:innen sind und Familie im Kriegsgebiet haben. Zahlreiche zivilgesellschaftliche und kirchliche Organisationen, wie der Gesamtukrainische Rat der Kirchen und der Religiösen Organisationen haben zum Stopp dieser Aggression und zum Gebet aufgerufen. 

Die Katholisch-Theologische Fakultät drückt ihre Solidarität mit allen von der kriegerischen Gewalt Betroffenen aus, ist jederzeit bereit, ihnen im Rahmen eigener Möglichkeiten Hilfe anzubieten, und unterstützt alle Bemühungen zur  Beendigung des Krieges.

 

Das Leitungsteam der Katholisch-Theologischen Fakultät

 

Weiter zur zentralen Universitäts-Webseite: Informationen für betroffene Studierende und Forschende sowie Hilfsinitiativen

Link zur Spendenaktion "Nachbar in Not"

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