Desinformation und Desinformationsresilienz

Autor(en)
Alexander Filipovic, André Schülke
Abstrakt

Die zunehmende Angewiesenheit moderner Individuen und Gesellschaften auf Informationen aus zweiter Hand ermöglicht in politischen, militärischen und anderen Konflikten den Einsatz von Desinformationskampagnen. Staatliche Akteure versuchen mithilfe der massenhaften Verbreitung von sogenannten Fake News, die strukturelle und funktionale Integrität des jeweiligen Gegners zu unterminieren. Desinformation soll die Konstituierung, Verfestigung und Verbreitung von nichtrationalen „mentalen Modellen der Realität“ bei den Zielgruppen fördern, indem Regressionstrigger (Emotionen, Ressentiments, bestehende Verschwörungsmentalität) die Informationsverarbeitung von einer rationalen auf eine entwicklungsgeschichtlich niedrigere, weniger rationale Ebene verlagern. Trotz ihres „irrationalen“ Inhalts sind Desinformationskampagnen somit höchst rational organisierte, insbesondere gegen die offenen Gesellschaften des Westens gerichtete Instrumente der Destruktion. Die Kenntnis ihres Wirkmechanismus bildet zugleich die Grundlage für den Aufbau von Resilienz, also der Sensibilisierung für bzw. Immunisierung gegen das gezielte Aktivieren von Regressionstriggern. Eine entsprechende Medienkompetenz – die Fähigkeit, aus der täglichen Informationsvielfalt ein nicht defizientes mentales Modell der Realität zu entwickeln und aufrechtzuerhalten – bedarf der eigenständigen Aneignung, Memorierung und Aktualisierung von Wissen, der Ausbildung von Reflexionsvermögen und einer verantwortlichen Medienrezeption. Neben dieser umfangreichen und ressourcenintensiven staatlichen Bildungsaufgabe, die angesichts einer vermuteten Ausweitung von Desinformationskampagnen an präventiver Bedeutung gewinnt, sind weitere Maßnahmen zur Abwehr bzw. der Eindämmung möglicher schädlicher Folgen für offene, pluralistische Gesellschaften in den Blick zu nehmen: auf der gesellschaftlichen Ebene etwa das Zurückdrängen sozioökonomischer Faktoren, die Ängste und Unsicherheit erzeugen, sowie auf der medialen Ebene u. a. die Förderung von Transparenz, konsequentes Debunking und strafrechtliches Vorgehen gegen Falschmeldungen und Verschwörungserzählungen.

Organisation(en)
Institut für Systematische Theologie und Ethik
Externe Organisation(en)
Hochschule für Philosophie München
Journal
Ethik und Militär: Kontroversen in Militärethik & Sicherheitspolitik
Seiten
34-41
ISSN
2199-4129
Publikationsdatum
2023
Peer-reviewed
Ja
ÖFOS 2012
508019 Medienethik, 603204 Christliche Sozialethik
Schlagwörter
Link zum Portal
https://ucrisportal.univie.ac.at/de/publications/desinformation-und-desinformationsresilienz(6878b765-3429-479a-88f8-c18da5bdb42c).html